Hans Mosser – Unterwegs am Benediktweg Teil 3
Teil 3 von Gornji Grad bis Aquileia
Meine 12. Etappe am Benediktweg verläuft von Gornji Grad über die Basilika Nova Stifta und über den Podlom Pass in das Krainer Feld in die Stadt Kamnik (Stein in Oberkrain) (Benediktweg S05).
Zuerst idyllischer Morgennebel, dann dunkle Gewitterwolken. Bis zur Passhöhe sind es inklusive ein paar Verirrungen im Wald 12 km. Dort entlädt sich nun ein heftiges Gewitter, es stürmt und wird kalt. Ich wärme mich in dem Gasthaus auf dem Podlom Pass. Weil die Wetter-App keine baldige Besserung ankündigt, suche ich auf Google nach öffentlichen Verkehrsmitteln und habe Glück: Die Passhöhe hat eine Bushaltestelle und in ca. 1 Stunde sollte dort ein Bus nach Kamnik vorbeikommen. Der Bus kommt tatsächlich und bringt mich im Starkregen trocken an mein Ziel. Meine Unterkunft ist das Hostel Pod Skalo. Weil der Rucksack mit jeder Etappe schwerer zu werden scheint, beschließe ich auszusortieren, was ich nicht wirklich benötige, also Ballast abzuwerfen: Unter anderem eine Hose für „schön“, das Zuviel an warmer Kleidung, den Rasierapparat und den Schlafsack. Es werden immerhin 3,3 kg, die ich mit einem Paket auf der Post in Kamnik nach Hause schicke. Abends gehe ich noch in die Messe in der Franziskanerkirche St. Jakob.
Meine 13. Etappe (Benediktweg S06 / tw. S07) verläuft von Kamnik nach Smlednik. Gleich nach Verlassen der Stadt geht es teilweise etwas steil auf einen bewaldeten Hügel, mit zahllosen Waldwegen, die kreuz und quer verlaufen. Natürlich verirre ich mich hier wieder einmal kurz, lande dann aber letztlich korrekt beim Teich Kriski Bajer, wo ich kurz raste. Als ich den Ort Kriz verlasse, spricht mich eine ältere Frau an. Von dem, was sie sagt, verstehe ich nur „Jakubova Pot“, d.h. Jakobsweg, der auch tatsächlich hier verläuft. Daher antworte ich ihr: „Benediktova Pot“, also Benediktweg. Ich hatte ja etwas Slowenisch gelernt. Die Menschen sind alle so freundlich, wohl weil ich auch alle slowenisch grüße. Gibst Du Freundlichkeit, bekommst du Freundlichkeit. Ca. bei Kilometer 9, einer Abzweigung nach links, sehe ich das Zeichen des Benediktweges zum ersten und bislang einzigen Mal mit einem Herz in den slowenischen Nationalfarben weiß, blau, rot. Am Ziel der Etappe S06 in Repnje sind allerdings Kirche und Kloster verschlossen, ich habe aber ohnehin eine Unterkunft in einem Hotel in Smlednik, mehrere Kilometer weiter gebucht. Dafür wird die nächste Etappe um diese Strecke kürzer. Es ist noch ein wunderbarer hügeliger Waldweg bis zur Burg Starigrad, dann geht es über einen beeindruckenden Kreuzweg den Hügel hinunter ins Hotel Baron in Smlednik. Hier wieder ideale Bedingungen, Wäsche zu waschen ….
Meine 14. Etappe verläuft heute von Smlednik nach Škofia Loka (Benediktweg S07). Diese Etappe ist heute für mich 5 km kürzer, weil ich gestern noch von Repnje (wo S07 beginnt) nach Smlednik gegangen bin. Heute wandere ich durch kleine Dörfer mit ihren Kirchen, über Wald- und Feldwege vorbei an zahlreichen Kreuzen und Bildstöcken, und erreiche unter dunklen, gewittrig drohenden Wolken Škofja Loka (Bischofslack) und meine Unterkunft, das Hotel garni paleta in der Altstadt direkt am Fluss Sora. Aus dem kleinen, sehr sympathischen Zimmer unterm Dach habe ich einen traumhaftem Ausblick auf die Sora. Ich besuche die Burg Škofja Loka und das interessante Museum der Burg.
Meine 15. Etappe verläuft heute von Škofja Loka nach Ziri (Benediktweg S08). Es ist eine schöne abwechslungsreiche Strecke, teilweise mit steilen Anstiegen, vorbei an vielen Kirchen auf Hügeln und durch prachtvolle Wiesen. Wieder einmal eine größere Verirrung zwischen km 22 und 24, wo ich den Kompass benutze, um wenigstens die richtige Richtung zu halten. Ich krieche unter Sträuchern herum, aber stets mit der Gewissheit, irgendwann auf irgendeinem Forstweg zu landen. Und ca. 8 km vor Ziri ist das auch der Fall. Ich gehe dann mithilfe von Google maps bis ans Ziel. Am Ortsanfang von Ziri bleibt ein entgegenkommender älterer Mountainbiker stehen und spricht mich an. Er sei in Klagenfurt geboren, sagt er, seine Eltern seien jedoch Slowenen. Er würde demnächst von Ziri bis nach Klagenfurt gehen, meinte er, und fragt mich, ob ich heute noch nach Idrija gehe. Noch weitere 17 km? Ich bin doch heute schon 35 km gegangen, sage ich ihm. Mir tun schon die Fersen weh, für heute reicht es. Das versteht er und fährt weiter. Statt der 32 km und 1.150 Höhenmeter dieser Etappe sind es tatsächlich verirrungsbedingt 35,5 bei 1.270. Die Freude auf ein gutes Abendessen in meiner Unterkunft Gostisce pri Zupanu ist aber verfrüht. Ab 15 Uhr geschlossen, steht am Eingang. Auch das Gasthaus daneben hat zu. Ich rufe die Telefonnummer an, die an der Tür steht. Ich habe doch reserviert. Eine Dame ist dann nicht sehr glücklich mit mir, sie habe mich früher erwartet, sie kommt dann aber mit dem Auto und zeigt mir mein Zimmer. Zu essen gibt es aber nichts, alles hat in dem Ort zu, erst morgen gibt es ein Frühstück. So esse ich abends Crackers mit Eckerlkäes. Morgen ist auch noch ein Tag.
Meine 16. Etappe verläuft heute von Ziri über Idrija auf die Berghütte Koča na Hleviški planini (Benediktweg S09, tw. S10), eine wunderschöne Etappe. Sunny side up: So triste der gestrige Abend schien, so geht heute Früh mit dem super Frühstück und der freundlich-herzlichen Wirtstochter Maja die Sonne auf. Weil ich mich supergut fühle, storniere ich meine Unterkunft in Idrija (an sich das Ziel der Etappe S09 – mein Angebot einer Stornogebühr wird nicht angenommen) und reserviere eine Übernachtung in der Berghütte Koča na Hleviški planini, wodurch sich die heutige Etappe um 4 km und viele Höhenmeter verlängert, die morgige Bergtour-Etappe zur Mali Golak Hütte dementsprechend verkürzt. Die Landschaft erfreut mein Herz, bei einer Rast bei einem Bildstock mit Glocke treffe ich zwei Burschen. Wir reden englisch, sie erzählen, sie gehen die Via alpina von Triest nach Planica. 8 Tage insgesamt. Ich frage, ob sie Slowenen sind. No, we are from Germany. Gut, dann können wir ja deutsch weiterreden. Auf die Frage, welchen Weg ich gehe, sage ich, es ist der Benediktweg, ein Pilgerweg. Dann sprechen wir kurz über den Hl. Benedikt. Dann geht es weiter, steil hinunter nach Idrija, wo ich die Kirche Sv. Jozefa besuche und danach Bananen, Mandarinen und Wasser einkaufe und einen Espresso trinke. Danach geht es über einen sehr steilen Steig hinauf zu meinem heutigen Etappenziel, die Hütte Koča na Hleviški planini. Dort herrscht ein strenges Regime der resoluten, aber freundlichen Wirtin: Schuhe aus, hier sind Pantoffel, hier ist Bettzeug, Rucksack nicht auf das Bett, Dusche unten, 2 €, richte den Strahl der Dusche aber nur auf den Boden, nicht auf die Wände. Nein, Handtuch hat sie keines. Zum Glück habe ich ein kleines Mikrofaserhandtuch mit … Ich habe ein „Einzelzimmer“ mit 7 Betten, überziehe selbst mein Bett für diese Nacht. Abends bekomme ich eine selbstgemachte Pasta mit einer Sauce. Und ein kühles Bier. Heute ist ein sehr guter Tag.
Meine 17. Etappe am Benediktweg von der Berghütte Koča na Hleviški planini aus war geplant über den Berg Mali Golak zur gleichnamigen Berghütte zu wandern (Benediktweg S10). Beim Frühstück beginnt es aber plötzlich arg zu gewittern und Nebel fällt ein. Der Wirt rät mir mit warnenden Gesten strikt ab, die geplante Bergtour auf den Mali Golak zu gehen. Ich halte mich an den Rat und in Regenjacke und -hose gehe ich, begleitet von Starkregen, zahllosen Blitzen und Donnern wieder nach Idrija hinunter. Wie ich in den Steig, über den ich gestern hochgewandert bin, einbiegen will, ist dort stattdessen heute ein Bach. So gehe ich wieder ein Stück zurück und nehme stattdessen den (längeren) Forstweg hinunter nach Idrija. Dort setze ich mich in ein Café und ändere meinen Plan. Ich werde heute ca. 25 km bis nach Col wandern, dort gibt es eine Übernachtungsmöglichkeit, die Gostilna Tratnik. Ich rufe dort an, ja, ich kann heute übernachten. So verlasse ich Idrija über die Straße 205, wandere dann kurz eine Extrameile zum divje jezero (wilder See), einem kleinen See, der eine Karstquelle ist, aus dem dann ein kleiner Fluss entsteht. Zurück auf die Hauptstraße, dort seitwärts in einen Forstweg eingebogen, der sich in vielen Serpentinen durch den Naturpark von Zgornja Idrijca in die Höhe zieht. Sobald das Handy Netzempfang zeigt, informiere ich die Wirtin von der Berghütte Koča pod Golaki, dass ich heute nicht komme, weil meine Route eine andere ist. Nicht, dass sie etwa die Bergrettung alarmiert, wenn ich nicht bei ihr ankomme. Dann geht es weiter auf Forstwegen, tw. auf kleinen steilen Waldpfaden weiter quer durch den Naturpark von Zgornja Idrijca nach Idrijski Log. Direkt vor Idrijski Log zeigt ein eigenartiges Hinweisschild „Andrejčkovo Brezno“ mit drei Kreuzen auf eine Stelle 20 Meter in den Wald hinein. Mit einem Holzzaun umgeben geht dort eine Art Felsenhöhle (ein Dolinenloch) in die Tiefe, daneben ein Kreuz und eine kleine Marienstatue. Irgendwie ist das unheimlich. (Später google ich das und bin erschreckt, weil es die Gedenkstätte für ein Massengrab aus der Zeit nach dem Ende des zweiten Weltkriegs ist. Das Karstdolinenloch enthält die Überreste einer unbekannten Anzahl slowenischer und italienischer Zivilhäftlinge, die aus Triest und Gorizia gebracht und hier Ende Mai oder am 13. Juni 1945 von den Kommunisten ermordet wurden). Meine Schuhe sind mittlerweile trotz Goretex und Imprägnierung nass. Ein mühsamer Waldpfad mündet plötzlich in die breite Straße 207, auf der ich dann noch 6-7 km abwärts zur heutigen Unterkunft gehe. Durch das Unwetter habe ich heute mit dem Mali Golak zwar ein Highlight des Benediktweges versäumt, aber ein Pilgerweg ist eben wie das Leben. Wenn sich Bedingungen ändern, muss auch das Zwischenziel angepasst werden. Ich nehme es gelassen und fühle mich nach 32 km und 721 Höhenmetern trotzdem wohl, als ich in Col ankomme.
(Die Gedenkstätte eines sog. Schachtmassengrabes. Ein tiefes Karstdolinenloch enthält die Überreste einer unbekannten Anzahl slowenischer und italienischer Zivilhäftlinge, die aus Triest und Gorizia gebracht und hier Ende Mai oder Mitte Juni 1945 von den Kommunisten ermordet wurden)
Auch im einfachsten Zimmer kann man gut schlafen, wenn man müde ist. Beim Pilgern werde ich für manches dankbarer, weil ich die Dinge – und auch die paar Begegnungen, die ich bisher hatte – mehr zu schätzen lerne. Was ist wirklich wichtig?
Meine 18. Etappe am Benediktweg geht nun von Col nach Dornberk. Bei Nieselregen und starkem Rückenwind mit Böen bis zu 50 km/h ziehe ich los, entlang der Straße 207, es geht rund 600 Höhenmeter abwärts. Daher bin ich mit 6 km/h rasch unterwegs. Bei Kilometer 7 sehe ich die erste Wegwarte im heurigen Jahr. Das ist eine meiner Lieblingsblumen. Ich freue mich. Kurz danach erreiche ich die Stadt Ajdovščina. Plötzlich höre ich irgendwo von rechts einen wunderschönen Chor, so schön, dass ich Gänsehaut bekomme und, weil ich eh so viel Zeit habe, folge der Musik. Plötzlich stehe ich vor einer zwischen Häusern versteckten Kirche und gehe hinein. Es wird gerade die Sonntagsmesse gefeiert, offensichtlich beginnt die Gabenbereitung. Was für ein Zufall. Ich bleibe ganz hinten bei der Türe stehen, nehme den Rucksack herunter, lehne ihn gegen eine Säule und feiere mit. Die Messe inklusive Chor und Orgel geht ins Herz. Ite missa est – ich ziehe weiter, durchquere die Stadt, komme vorbei an einem römischen Kastell, welches – lt. Infotafel – in der Antike die östliche Grenze des römischen Reiches geschützt hat. Gleich danach ein österr.-ungar. Soldatenfriedhof des 1. Weltkriegs. Dann auf der Straße 444 hinaus aus der Stadt.
Weiterhin starker böiger Rückenwind. Ab Kilometer 16 komme ich an vielen schon reifen Kirschbäumen vorbei, die Früchte schmecken sehr gut. Je mehr ich mich Dornberk nähere, umso mediterraner scheint mir die Flora: ich sehe Feigenbäume, Oleandersträucher, Olivenbäume und ein kleines Café namens Trieste. Und es gibt viele Weingärten. Etwa 1,5 km vor dem Ziel stoße ich beim Fluss Vipava auf den Originalweg (Benediktweg S11), den ich ja wegen des Gewitters gestern nicht wandern konnte. Dann bin ich gleich am Ziel beim Kmetija (d.h. Bauernhof/Agriturismo) Kraljic in Tabor bei Dornberk. Rundherum Weinstöcke und Obstbäume. Niemand da, alles zu. Ich rufe an, dass ich da bin. Eine freundliche Frau kommt heraus und sagt, sie habe mich nicht so schnell erwartet. Ristorante hat (wie offenbar zu dieser Zeit häufig) zu, aber sie wird mir abends etwas kochen. In der Zwischenzeit könne ich Kirschen von ihren heuer prallvollen Kirschenbäumen brocken, essen und mitnehmen. Das mache ich. Und nach einem guten bäuerlichen Abendessen fühle ich mich dankbar, zufrieden, entspannt und freue mich besonders auf die morgige letzte slowenische Etappe zum Burgkloster Miren, bevor es übermorgen nach Aquileia geht.
Der Benediktweg S12 ist meine 19. Etappe, ich wandere von Dornberk zum Burgkloster Miren über eine Hügelkette im Triestiner Karst, von denen der erste und mit 643 m höchste Hügel dementsprechend Trstelj heißt, mit einem aufregenden Blick auf die obere Adria. Die anderen Hügel sind dann jeweils etwas kleiner, aber trotzdem heißt es immer Hügel hinab, nächster Hügel hinauf. Immer wieder finden sich entlang des karstigen Pfades Überreste von Bunkern bzw. Befestigungen aus dem 1. Weltkrieg. Die Bäume sind zum größeren Teil noch relativ jung, sodass diese Hügel damals wohl weitgehend baumlos waren. Das kann man dann auch später am Foto auf einer Infotafel erkennen. Nach Passieren der Hügelkette geht es hinab in die Ebene, dann nur mehr ein kurzer Aufsteig zum Burgkloster Miren. Ich bekomme ein kleines Zimmer mit tollem Ausblick nach Nordwesten – die Grenze nach Italien nur mehr 1 km entfernt. Im Gästehaus gibt es eine kleine Kapelle, in die man sich zurückziehen und nachdenken und beten kann. In der Hauptkirche gibt es morgen um 7 Uhr eine Messe.
Aquileia, io vengo
So wie das Abendessen war ich auch beim Frühstück ganz allein im großen Speisesaal des Gästetrakts des Klosters Miren. Nach einem letzten Besuch in der Kapelle gehe ich den Klosterberg wieder hinunter und verlasse den Ort Miren. Ich gehe heute früh los, weil ich diesmal zwei Etappen zusammenlege. Die beiden Etappen des Benediktweges haben hier die Bezeichnung AQ T01 und T02, es sind die ersten beiden Etappen der Via Romea Aquileiense. Auf einem Fuß/Radweg passiere ich offensichtlich die Grenze nach Italien, erkennbar, weil das nächste Straßenschild italienisch ist. Nach einem kurzen Stück auf einer sehr vielbefahrenen Straße geht es die einzige Steigung dieser Etappe hinauf, ein Weg, der sehr gut als Romea strata mit Schildern gekennzeichnet ist. Häufig auch zusätzlich als Benediktweg. Da die Steigung relativ flach ist, komme ich zügig voran. Bei Kilometer 6 nach 78 Minuten erreiche ich den höchsten Punkt der heutigen Etappe mit einer Meereshöhe von 248 m – stolz Monte San Michele genannt. Statt dem slownischen Dober Dan ist heute mein erster Gruß Buongiorno, den ich bei km 7 einer alten Dame, die ich überhole, wünsche. Nun folge ich entspannt gut angelegten Wegen zwischen Sträuchern und teilweise Bäumen. Bei km 13,7 „erklimme“ ich ein kleines Hügelchen zur Chiesa Santa Maria di Monte. Der Monte befindet sich allerdings auf kaum 50 m Meereshöhe. In Fogliano hat endlich mal eine Kirche offen, ich gehe hinein.
Die Autobahn A4 /E70 zwingt mich auf einen kleinen Umweg, so unterquere ich sie und komme nach San Pier di Isonzo. Dort, nach mittlerweile 3 ½ Stunden und 17,6 km, mache ich heute die erste Rast in einem Café. Ein wunderbarer Espresso, so wie es sich gehört: ein halber Schluck, die Tasse ist leer. Also noch einen, dazu was zu essen und natürlich Wasser.
Nun folge ich dem Fluß Isonzo auf einem zuerst schmalen feinen Weg in dessen Augebiet, danach mehrere Kilometer in dem als solchen gekennzeichneten Parco dell‘ Isonzo.
Bei der Brücke über den Isonzo geht es nun nicht gerade vorbei und weiter nach San Canzian, dem Ende der Etappe T01, sondern für mich nach rechts über die Brücke, im weiteren Verlauf der Etappe T02. Dieser sehr stark befahrenen Straße folge ich rund 1 km, wobei direkt auf der Brücke beidseits ein geschützter Gehweg verläuft, aber vorher und nachher überhaupt kein Gehweg ist, sodass man sich immer wieder gegen die Leitplanke quetschen muss, wenn man einen LKW oder Bus entgegenkommen sieht. Zum Glück geht es dann aber gleich wieder nach links. Bei km 28, um 13:30 Uhr, nochmals ein Espresso in einem Café gegenüber der Kirche von Fiumicello. Über kleine Landstraßen und Feldwege geht es dann zügig die letzten Kilometer nach Aquileia, wo ich die Übernachtung im Hotel Patriarchi reserviert habe. Bevor ich dort bin, durchquere ich noch die beeindruckenden Reste eine der besterhaltenen römischen Hafenanlagen. Damals verlief dort ein 50 Meter breiter Fluß, der die 181 v.Chr. erbaute römische Stadt umfloss. Ein kurzer Besuch der Ausgrabungen des röm. Forum romanum, und auf einmal überall so viele Menschen. Ich bin das nicht mehr gewohnt … Sehr viele Besucher aus Deutschland und Österreich, vor allem vor der berühmten Basilika. Dieser werde ich mich dann morgen früh in Ruhe widmen. Mit einem guten Abendessen beende ich den Tag im Hotel.
Aquileia – und dann mit Regionalzug und Nightjet nach Hause
Gestern habe ich mein Ziel Aquileia erreicht. Heute bin ich der erste Besucher der berühmten Basilika, sobald sie um 10 Uhr aufsperrt. Diese Kirche ist ein sehr frühes Zeichen eines aktiven Christentums. Das unglaublich beeindruckende Bodenmosaik stammt aus 313, dem Jahr der sog. Mailänder Vereinbarung, in der sich der west- und der oströmische Kaiser (Konstantin und Licinius) darauf einigten, allen römischen Bürgern die freie Religionsentscheidung zu erlauben. Das betraf vor allem das Christentum. Nur kurz nach mir strömen dann viele Touristen in die Basilika. Weil der Tag noch lang ist und der Nightjet von Udine nach Wien erst um Mitternacht fährt, mache ich mit dem öffentlichen Bus noch einen Ausflug nach Grado, bevor es dann mit einem Taxi zum Bahnhof Cervignano- Aquileia-Grado und dann mit dem Regionalzug nach Udine geht. Wenige Minuten vor Mitternacht kommt der Nightjet mit dem für mich reservierten Schlafabteil und es geht nach Hause.
Im Zug kann ich nicht schlafen, viele Erlebnisse und Eindrücke der Pilgerwanderung dominieren meine Gedanken. Wenn ich mich frage, was die Highlights waren, denke ich, dass jede Etappe für sich ein Highlight war. Jede war besonders in ihrer Art, ihrer Herausforderung und Anfrage an mich. Dennoch kann ich als Highlight der Highlights meinen Aufenthalt im Stift St. Paul bezeichnen. Die so selbstverständlich wirkende Kombination einer herzlichen Gastfreundschaft, Offenheit und Spiritualität der Mönche dort hat mich sehr beeindruckt. Und ganz offensichtlich ist das Stift St. Paul auch das Herz und Zentrum des Benediktweges, denn die erste Etappe nordwärts von St.Paul beginnt mit N 01 und die südwärts mit S 01.
Habe ich das Ziel meiner Pilgerwanderung, in meinem Leben überflüssiges Gepäck abzulegen und Gott näher zu kommen, erreicht? Vielleicht ist ja das 3,3 kg-Paket mit überflüssigem Gepäck, das ich bei der Post in Kamnik aufgegeben habe, ein Symbol dafür. Tatsächlich habe ich gegenüber einigen Dingen in meinem Leben eine andere Perspektive gewonnen und kann einiges identifizieren, dass ich tatsächlich als überflüssiges Gepäck bezeichnen kann. Jetzt kommt der Schritt zur Praxis, so wie Spiritualität ja auch Praxis sein muss, andernfalls es nur eine Art geistiger Selbstbefriedigung wäre. Die vielen Eindrücke und Gedanken von 20 Tagen müssen sich jetzt erst mal noch setzen. Ich werde aber sicher einiges in Angriff nehmen, habe dazu auch schon konkrete Schritte geplant und freue mich darauf.